Der Einfluss von Eltern und sozialem Umfeld
Jeder Mensch wird im Verlauf seines Lebens von verschiedenen Menschen beeinflusst – von Erziehern, Lehrern, Freunden, Kollegen, Künstlern, Bloggern usw. Der tiefste und nachhaltigste Einfluss kommt allerdings von den Familienmitgliedern, insbesondere den Eltern.
Unter allen familiären Bindungen ist die zwischen Mutter und Kind die stärkste, sowohl biologisch als auch emotional. Diese Verbindung entsteht selbst auf der körperlichen Ebene, und zwar in Form der Nabelschnur. Diese wird nach der Geburt zwar durchtrennt, emotional und energetisch jedoch bleibt die Verbindung bestehen. Unter anderem aus diesem Grund beeinflusst die Beziehung zur Mutter oft stärker unser Leben als die zum Vater, auch wenn uns das vielleicht nicht bewusst ist oder wir es möglicherweise sogar leugnen.

Die Mutter als primäre Bezugsperson in der Entwicklung des Menschen
In vielen Kulturen ist es die Mutter, die die meiste Zeit mit dem Kind verbringt und eine oder DIE Schlüsselrolle in dessen Erziehung spielt. Die tägliche Kommunikation mit ihr führt zu Prägungen, die sowohl in der Kindheit als auch im Erwachsenenalter wirken. So trägt der von der Mutter praktizierte Kommunikationstyp sowie ihr Kommunikationsstil stark dazu bei, welche emotionalen Reaktionen, Gedanken, Einstellungen und Verhaltensmuster sich beim Kind entwickeln und festigen. Diese wiederum beeinflussen den Kommunikationstyp und Kommunikationsstil sowie die Beziehungen des Heranwachsenden auch im Erwachsenenleben.
Siehe hierzu ausführlich das Buch: “EPIC-Kommunikation. Ihr Schlüssel zu konstruktiver Interaktion und Persönlichkeitsentwicklung”, insgesamt Teil II: “Reife und unreife Positionen in der Kommunikation”, speziell Kapitel 3: “Wie sich die dominierende Position in der Kommunikation formiert”.
Die Mutter-Kind-Beziehung im Erwachsenenleben
Die Beziehungen zwischen Mutter und Sohn oder Tochter können unterschiedlicher Natur sein oder besser: sie können unterschiedlich bewertet werden – von der Mutter einerseits und vom Sohn oder der Tochter andererseits. Das Spektrum hier ist breit, es reicht von “ausgesprochen positiv” bis “sehr negativ”, mit allen möglichen Schattierungen dazwischen.
Insbesondere, wenn Sohn oder Tochter die Beziehungen mit der Mutter und im Ergebnis auch den mütterlichen Einfluss auf ihr Leben als kritisch oder negativ bewerten, sind folgende Überlegungen angeraten:
Ein erwachsener Mensch hat die Möglichkeit, bewusst zu wählen, wie er die Beziehung zu seiner Mutter sieht und gestaltet. Dazu bedarf es persönlicher Reife sowie der Bereitschaft und Fähigkeit zu differenzierter Reflektion und Selbstreflektion. Außerdem spielt die Anwendung des Grundprinzips konstruktiver Kommunikation eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung und Pflege einer positiven und harmonischen Beziehung zur Mutter.
Im Artikel Wie man lieben lernt: 5 Ebenen der Liebe beschriebe ich fünf Ebenen, auf denen ein Mensch seine Beziehungen insgesamt durch Akzeptanz, Respekt, Mitgefühl und Empathie aufbauen und pflegen kann. Das gilt natürlich auch für die Beziehung zur Mutter, die im Idealfall von bedingungsloser Liebe ist. Ohne Anwendung des Grundprinzips konstruktiver Kommunikation ist es jedoch unmöglich, auch nur die erste Ebene (Akzeptanz) zu erreichen.
Die Bedeutung offener Gespräche mit der Mutter
Sie können einen wichtigen Schritt gehen, um den Einfluss der Beziehung mit Ihrer Mutter zu erkennen und gegebenenfalls aufzuarbeiten. Besprechen Sie mit ihr die Situationen aus Kindheit und Jugend, die eine nachhaltige Wirkung auf Ihr Leben hatten bzw. immer noch haben. Gespräche über solche Situationen oder Ereignisse helfen, die damalige Lebenssituation sowie die Motive und das Verhalten Ihrer Mutter besser zu verstehen. Allein dieses Verständnis kann schon helfen, mehr Ruhe, Frieden und Bewusstheit in Ihrem eigenen Leben zu erlangen. Dabei ist es wichtig, Fragen zu stellen, um zu erfahren, zu akzeptieren und zu verstehen, nicht zu verurteilen! Bedenken Sie außerdem, dass Ihre Mutter vielleicht zum ersten Mal über die von Ihnen thematisierten Situationen und Ereignisse spricht! Es kann also durchaus sein, dass Sie mit den Antworten Ihrer Mutter unzufrieden sind… Zumindest können diese Antworten jedoch Aspekte aufzeigen, von denen Sie zuvor nichts wussten, und die Sie sich nur schwer vorstellen können, da Sie selbst in anderen Verhältnissen aufgewachsen sind als Ihre Mutter.
Von größter Bedeutung ist, sich wiederholt bewusst zu machen, dass Sie selbst für den Gang und die Qualität Ihres Lebens verantwortlich sind und nicht Ihre Mutter, und auch nicht eine bestimmte Anzahl von Situationen oder Ereignissen aus Ihrer Kindheit. In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen, den Artikel Wie geht man mit Kränkungen um? zu lesen.
Selbst die schmerzhaftesten Situationen können Sie im Endeffekt als Lektionen betrachten, die Ihnen unter anderem helfen, Ihre Beziehungen zu Ihren eigenen Kindern bewusst zu gestalten. Ob Sie dabei dem Beispiel Ihrer Mutter folgen oder nicht, liegt in Ihrem persönlichen Ermessen.
Die BSB-Methode (Beibehalten, Stoppen, Beginnen)
Diese Methode ist von praktischem Nutzen, wenn Sie schwierige bzw. unangenehme Situationen aus Ihrer Kindheit bewusst aufarbeiten und daraus Lehren für den Aufbau “gesunder Beziehungen” ziehen wollen – zu Ihrer Mutter im Speziellen sowie zu anderen Menschen insgesamt. Die in der BSB-Methode enthaltene einfache Schrittfolge hilft, klar zu formulieren:
- welche Aspekte in der Beziehung zu Ihrer Mutter Sie als positiv empfinden, welche als verbesserungswürdig und welche Aspekte Ihrem Empfinden nach stören;
- welche Verhaltensweisen Sie selbst in Ihrer Beziehung zu Ihrer Mutter beibehalten, welche Sie weitgehend abstellen und welche Verhaltensweisen Sie verstärken oder neu aufbauen, um eine positive und harmonische Beziehung zu Ihrer Mutter aufzubauen.
Falls Ihnen dies gelingt, wird Ihnen das auch in Bezug auf Beziehungen zu anderen Menschen in Ihrem Leben gelingen.
Situation:
Stellen wir uns vor, ein erwachsener Sohn fühlt oft Frustration oder Ärger im Umgang mit seiner Mutter. Jedes Mal, wenn sie ihm ungefragt Ratschläge zu seinem Privatleben oder seiner Karriere gibt, hat er das Gefühl, dass sie ihm nicht zutraut, eigenständig sein Leben zu gestalten und notwendige Entscheidungen zu treffen. Das führt auf kurz oder lang zu Spannungen und zusehends häufiger zu Konflikten.

Anwendung der BSB-Methode
- Beibehalten: Der Sohn weiß bzw. erkennt, dass es wichtig ist, eine offene und ehrliche Beziehung zu seiner Mutter aufrechtzuerhalten. Er entscheidet, seine Meinung weiterhin zu äußern, allerdings in konstruktiver Form. Zum Beispiel sagt er: “Mama, ich schätze Deine Meinung aus den und den Gründen… Gleichzeitig ist mir wichtig, Entscheidungen, die mein Leben betreffen, selbst zu treffen. Darum werde ich Deine Ratschläge berücksichtigen, zum Teil komplett, zum Teil bedingt und manchmal überhaupt nicht.”
- Stoppen: Der Sohn weiß bzw. erkennt, dass seine Reaktionen, die aus Frustration oder Ärger resultieren, die Situation mit seiner Mutter nur verschärfen und zu mehr Konflikten mit ihr führen. Er beschließt aufzuhören, darauf scharf zu reagieren – mit Sarkasmus, direkten Vorwürfen oder Anschuldigungen.
- Beginnen: Stattdessen beginnt der Sohn, ruhig zu bleiben, wenn seine Mutter ihm ungefragt Ratschläge gibt, und ihr tatsächlich zuzuhören, um ihre Motive zu verstehen. Er fragt nach, um herauszufinden, warum sie ihm diese oder jene Ratschläge gibt, etwa: “Gibst Du mir diesen Ratschlag, weil Du Dir Sorgen um mich machst? Warum meinst Du, dass das besser für mich wäre?” Außerdem beginnt er, einige Entscheidungen im Voraus mit seiner Mutter zu besprechen, damit sie sich eingebunden fühlt. Gleichzeitig behält er sich jedoch die Freiheit vor, nach eigenem Ermessen zu handeln.
Ergebnis:
Die Anwendung der BSB-Methode hilft dem Sohn, einen anderen Stil des Umgangs mit seiner Mutter zu entwickeln und dadurch eine ruhigere und konstruktive Beziehung zu seiner Mutter aufzubauen, die auf Akzeptanz, Respekt und Verständnis basiert.
Fazit
In der Beziehung zur Mutter erhalten und verarbeiten wir einen überaus bedeutsamen Teil unserer Erfahrungen, die unsere Persönlichkeitsentwicklung und unseren Lebensweg beeinflussen. Ein offener und konstruktiver Dialog mit der Mutter hilft, die Spezifik unserer Verbindung mit ihr wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu verstehen. Das führt dazu, dass wir uns selbst besser wahrnehmen, akzeptieren und verstehen. Und schließlich prägt es die Art, wie wir die Beziehungen zu unseren eigenen Kindern sowie anderen Menschen gestalten und dadurch ein bewusstes und erfülltes Leben führen.
Die Beziehung zur Mutter hat einen besonders prägenden Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen in der Kindheit. In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen, den Artikel Wie heilt man sein “Kind-Ich”? zu lesen.