Die Interaktion mit anderen Menschen ist durchaus mit Herausforderungen verbunden, insbesondere, wenn ihre und unsere Ansichten, Ziele oder Werte nicht übereinstimmen. Allerdings kann bewusstes und reifes Kommunizieren diese Unterschiede in Chancen für gegenseitiges Verständnis, Horizonterweiterung und Wachstum verwandeln.

Das Grundprinzip konstruktiver Kommunikation
Ein bewusster Mensch versteht, dass es wenig sinnvoll ist zu versuchen, andere Menschen von ihren Meinungen und Überzeugungen abzubringen, oder sie gar umerziehen zu wollen. Er akzeptiert andere Menschen so, wie sie sind, ohne von ihnen zu verlangen, sich seinen Erwartungen anzupassen. Gleichzeitig artikuliert er seine eigenen Meinungen und Überzeugungen und grenzt sich von Versuchen ab, ihn vom Gegenteil zu überzeugen bzw. von ihm zu verlangen, sich den Erwartungen anderer Menschen anzupassen.
Ein Verhalten, das einer solchen Haltung entspricht, wird im Grundprinzip konstruktiver Kommunikation beschrieben. Dieses Prinzip besteht aus fünf Schritten:
- Wahrnehmen – aufmerksam dem Gesprächspartner zuhören, insbesondere bei relevanten Gesprächsinhalten und widerstreitenden Meinungen. Dies ist die Grundlage für jegliches Verstehen.
- Akzeptieren – die Möglichkeit zulassen, dass andere Menschen unterschiedliche Meinungen haben können, ohne diese als “falsch” oder “unsinnig” abzutun, noch bevor man diese Meinungen überhaupt in allen Details verstanden hat.
- Verstehen – den Gesprächspartner so verstehen, wie er selbst verstanden sein will, ohne dessen Meinung “umzuinterpretieren” oder zu verzerren.
- Schlussfolgerungen ziehen – für sich persönlich erkennen und entscheiden, wie bedeutsam die vom Gesprächspartner vertretenen Ansichten oder Meinungen sind.
- Handeln – den BSB-Ansatz (Beibehalten, Stoppen, Beginnen) anwenden, um bewusst Veränderungen in die eigene Kommunikation oder ins eigene Leben generell zu bringen, insbesondere wenn man vom Gesprächspartner relevante Anregungen bekommen hat.
Probleme in den einzelnen Schritten des Grundprinzips konstruktiver Kommunikation und wie man sie löst:
1. Wahrnehmen
Ausschweifende oder umständliche Erklärungen des Gesprächspartners sowie Ablenkungen können das Zuhören erschweren. Lösung – den Gesprächspartner höflich bitten, den Kern seiner Aussagen in kurzer Form (1-2 Sätzen) darzulegen; außerdem Ablenkungen vermeiden.
Ebenso kann das Unterbrechen des Gesprächspartners zu Missverständnissen sowie unnötigen Verzögerungen des Gesprächsverlaufs führen. Gleichzeitig kann es die Atmosphäre beeinträchtigen, in welcher ein Gespräch verläuft. Lösung – sich konzentrieren, ausreden lassen und tatsächlich zuhören.
2. Akzeptieren
Leicht tappen Menschen in die Falle, die Meinung ihres Gesprächspartners als “richtig” oder “falsch” zu beurteilen, ohne dass im Vorfeld handfeste Kriterien für eine solche Bewertung vereinbart wurden. Oft drückt man mit diesen Einschätzungen persönliche Gefühle aus wie “gefällt mir” oder “gefällt mir nicht” bzw. “Ja, kann ich mir vorstellen” oder “Nein, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen”. Lösung – wir nehmen den Fakt als gegeben hin, dass andere Menschen zu Fragen, die uns beschäftigen, eine andere Meinung haben können als wir.
Das heißt doch nicht, dass uns diese andere Sichtweise gleich gefallen muss oder wir unseren eigenen Standpunkt über Bord werfen! Mit hoher Wahrscheinlichkeit aber vermeiden wir durch die Akzeptanz von anderen Ansichten, dass ein Gespräch in einen Streit übergeht oder Konflikt ausartet. Außerdem halten wir die Grenzen unseres eigenen Horizonts offen!
3. Verstehen
Zu viele Worte, wiederholtes Unterbrechen sowie voreilige Bewertungen bzw. oberflächliche Schlussfolgerungen können das gegenseitige Verständnis zwischen Gesprächspartnern deutlich verringern. Um einander tatsächlich zu verstehen, erst recht bei persönlich bedeutsamen Themen und komplizierten Sachverhalten, ist es hilfreich, wenn wir klärende Fragen stellen oder die Aussagen des Partners mit unseren eigenen Worten wiederholen.
Dadurch erreichen wir, dass wir unseren Gesprächspartner “richtig” verstehen, das heißt, so, wie er selbst verstanden sein möchte. Außerdem vermeiden wir, dass wir ihm Worte oder Aussagen “in den Mund legen”, die er so nicht gemacht hat. So etwas gefällt in der Regel niemandem wirklich!
4. Schlussfolgerungen ziehen
Wenn ein Mensch andere Meinungen und neue Sichtweisen nur bedingt wahrnimmt, ignoriert oder ablehnt bzw. wenn er sie nicht verstehen kann oder will, schränkt das auf kurz oder lang seinen Horizont ein. Dies kann sich hinderlich auf seine geistige Entwicklung und sein persönliches Wachstum auswirken.
Ist ein Mensch jedoch bereit und fähig, neue Informationen wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu verstehen, ist es ratsam, sich zu fragen, ob diese für ihn von Bedeutung sind. Falls nicht, kann er ruhig weiterleben wie bisher. Bewertet er die Informationen allerdings als bedeutsam, empfiehlt es sich, den nächsten Schritt zu gehen.
5. Handeln
Zuerst entscheiden wir bewusst, welche Gedanken, gefühlsmäßigen Bewertungen sowie Verhaltensweisen wir im Umgang mit anderen und uns selbst beibehalten, welche wir abstellen/stoppen und welche wir beginnen, zu stärken oder neu zu entwickeln. Danach setzen wir diese Veränderungen schrittweise in die Tat um.
Anwendung der BSB-Methode:
Veränderungen in der Kommunikation und den Beziehungen mit anderen Menschen können in verschiedenen Bereichen sinnvoll sein – der Familie, in Freundschaften oder auf Arbeit. Nachdem Sie die ersten Schritte des Grundprinzips konstruktiver Kommunikation durchlaufen haben, bestimmen Sie im fünften, welche persönlichen Verhaltensweisen oder Gewohnheiten Sie als hilfreich einstufen – diese behalten Sie einfach bei. Danach betrachten Sie diejenigen Verhaltensweisen, die sich störend auf die Kommunikation und die Beziehungen mit anderen Menschen auswirken – diese “schlechten Gewohnheiten” beenden/stoppen Sie! Dann entscheiden Sie, welche neuen Verhaltensweisen die Qualität Ihrer Kommunikation mit anderen Menschen verbessern können – diese beginnen Sie, schrittweise aufzubauen und als Gewohnheit zu festigen.
Der Prozess des Beendens/Stoppens von “schlechten Gewohnheiten” und des gleichzeitigen Beginnens/Aufbauens neuer Verhaltensweisen dauert 1-2 Monate, wenn Sie täglich bewusst daran arbeiten. Dazu bedarf es Willenskraft und Selbstdisziplin!
Sobald sich Ihre Kommunikation mit anderen Menschen verbessert, wirkt sich dies auf die Qualität Ihrer Beziehungen mit ihnen aus. Und das führt in der Regel auch zu einer Verbesserung Ihrer eigenen Lebensqualität.

Situation: Anna hat wiederholt Streit mit ihrer Mutter wegen der Kritik, welche die Mutter ein ums andere Mal an Anna’s Stil der Kindererziehung übt. Anna bemerkt, wie sich die angespannte Beziehung zu ihrer Mutter zusehends verschlechtert. Gleichzeitig spürt sie, wie sich dies auf ihren eigenen sowie den emotionalen Zustand ihrer Mutter auswirkt. Sie entscheidet zu versuchen, die Beziehung zur Mutter wieder zu verbessern, weil sie überzeugt ist, dass ihre Mutter frei ist von “schlechten Absichten” Anna gegenüber.
Anwendung der BSB-Methode
- Beibehalten: Anna führt auch weiterhin Gespräche mit ihrer Mutter, in denen sie sich selbst mitteilen kann, andere Sichtweisen erfährt oder auf neue Ideen kommt.
- Stoppen: Anna entscheidet aufzuhören, sich bei vermeintlich kritischen Aussagen ihrer Mutter gleich zu verteidigen oder scharf darauf zu reagieren und dabei auch noch selbst anzugreifen.
- Beginnen: Stattdessen beginnt Anna, ihrer Mutter Fragen zu stellen, um deren Meinung besser zu verstehen bzw. herauszufinden, ob die Aussagen der Mutter als Kritik an Anna gedacht sind und, wenn ja, warum.
Ergebnis: Es stellt sich heraus, dass die vermeintliche Kritik der Mutter in den seltensten Fällen als solche gedacht ist, sondern als Versuch, die mütterliche Erfahrung in Sachen Kindererziehung mit Anna zu teilen. Dadurch fällt es Anna leichter, die Aussagen ihrer Mutter als “Angebot zum Erfahrungsaustausch” wahrzunehmen, zu akzeptieren und ihren Kern zu verstehen.
In diesem Zusammenhang teilt Anna ihrer Mutter mit, welche Aspekte in deren Hinweisen bei Anna das Gefühl auslösen, kritisiert zu werden. Dadurch kann die Mutter ihrerseits nun die BSB-Methode anwenden.
Im Ergebnis verläuft die Kommunikation bei unterschiedlichen Sichtweisen deutlich ruhiger. Die Beziehung zwischen Tochter und Mutter entspannt sich, weil beide mehr gegenseitiges Verständnis wahrnehmen und Achtung empfinden.
Welche Rolle die Beziehung zur Mutter im Leben eines Menschen spielt und wie man diese Beziehung bewusst gestalten kann, erfahren Sie im Artikel: Wenn die Beziehung zur Mutter unser Leben negativ beeinflusst.
Fazit
Konstruktive Kommunikation ist eine komplexe Fähigkeit, die Sie durch bewusste und kontinuierliche Arbeit an sich selbst entwickeln können. Die einfache BSB-Methode ermöglicht es, Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen gezielt zu analysieren und zu verändern.
In dem Artikel Wie wir uns entwickeln, wenn wir unser Verhalten ändern beschreibe ich ausführlich, wie ich die Kommunikation mit meinem Sohn verändert habe und wie sich dies auf die Beziehung zu meinem Sohn ausgewirkt hat.
Wenn Sie des Grundprinzip konstruktiver Kommunikation sowie die BSB-Methode konsequent anwenden, können Sie die Beziehungen zu anderen Menschen auf Augenhöhe gestalten und qualitativ verbessern.