
Wahrscheinlich haben schon viele von den sogenannten “blinden Flecken” in unserer Selbstwahrnehmung gehört. Das sind Bereiche, in denen es uns an Bewusstsein oder nüchterner Selbstbeobachtung fehlt, was zu Irrtümern oder Fehlern in unserem Denken und Verhalten führt. Wenn wir jedoch diese blinden Flecken identifizieren und an ihnen arbeiten, verbessern wir unser Selbstbewusstsein bzw. Selbstverständnis, die Fähigkeit, angemessen zu kommunizieren sowie generell unser Wohlbefinden. In diesem Artikel besprechen wir das “Johari-Fenster” und warum es wichtig ist, unsere “blinden Flecken” zu erkennen und zu erhellen.

Das Johari-Fenster ist ein einfaches Modell, das einem Menschen hilft, sich selbst besser zu verstehen sowie zu erkennen, wie andere ihn sehen. Es ist in vier Quadranten unterteilt: die “offene Bühne”, das “Verborgene hinter den Kulissen”, der “blinde Fleck” und das “Unbekannte”.
- Das “offene Bühne” steht für das, was sowohl uns bekannt ist als auch anderen Menschen (Freunden, Verwandte, Kollegen), zum Beispiel: “Ich bin Fußballfan”.
- Das “Verborgene hinter den Kulissen” ist das, was nur uns bekannt ist, nicht jedoch anderen Menschen, zum Beispiel: “Ich singe gerne unter der Dusche“.
- Der “blinde Fleck” ist das, was andere in unserem Verhalten sehen, was wir jedoch selbst nicht wahrnehmen bzw. bemerken, zum Beispiel: “In Diskussionen unterbreche ich oft andere” (obwohl ich selbst der Meinung bin, dass ein solches Verhalten meist unangemessen ist). Das bekannte russische Sprichwort “den Splitter im Auge des anderen sehen, aber den Balken im eigenen übersehen” beschreibt das Phänomen des blinden Flecks ziemlich treffend.
- Das “Unbekannte” ist das, was weder uns selbst noch anderen bekannt ist. So weiß niemand, wie wir uns verhalten würden, wenn wir wie Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel stranden würden und dort leben bzw. überleben müssten.
Um mehr über unsere blinden Flecken zu erfahren, empfiehlt es sich, Feedback über unser Verhalten und dessen Wirkung auf andere zu erhalten. Dies kann sowohl durch formale Befragungen auf Arbeit (360°) als auch durch informelle Gespräche mit Freunden, Verwandten oder Kollegen geschehen. In diesem Zusammenhang lesen Sie bitte den Artikel: Feedback: Warum ist es wichtig, es zu geben und zu erfragen?
Natürlich ist es auch nützlich, sich selbst zu analysieren, beispielsweise in Verbindung mit dem Führen eines Tagebuchs. Allerdings kommt man durch aktives Erfragen von Feedback in der Regel schneller zu nützlichen Erkenntnissen.

Sich selbst und seine blinden Flecken immer mal wieder zu reflektieren ist wichtig, weil es uns hilft zu verstehen, wie unser Verhalten bzw. bestimmte Verhaltensweisen auf andere wirken und, durch deren Reaktionen, auch auf uns selbst. Die Verringerung unserer blinden Flecken führt zu einer realistischeren Selbsteinschätzung sowie bewussterem Verhalten und kann somit die Kommunikation mit anderen Menschen verbessern. Dies wirkt sich im Weiteren auch auf die Qualität unserer Beziehungen zu diesen Menschen aus. Außerdem können wir die Fähigkeit entwickeln, besser zu entscheiden, was wir im Rahmen unserer Beziehungen zu anderen tun oder besser lassen. Mit anderen Worten, stärken wir auch unsere emotionale Intelligenz. In diesem Zusammenhang empfehle ich den Artikel: Kommunikation auf Augenhöhe oder Wie führt man einen „erwachsenen“ Dialog?
Abschließend betone ich, dass die Arbeit an seinen “blinden Flecken” keine einfache Sache ist. Erstens muss man Feedback zum eigenen Verhalten einholen, was dazu führen kann, dass man neben angenehmen Dingen eben auch unangenehme Aspekte über sich erfährt. Zweitens steht nach Feedback bisweilen eine Korrektur der Selbstwahrnehmung auf dem Plan, was auch schon mal schmerzhaft sein kann. Und schließlich, wenn jemand aufgrund des erhaltenen Feedbacks den Wunsch verspürt, sich zu verändern, wird er sich anstrengen müssen – und das nicht nur einmal, sondern oft mehrere Dutzend Male. Und dazu bedarf es eines langen Atems und einer gewissen Selbstdisziplin. Hierzu lesen Sie bitte auch den Artikel: Wie wir uns entwickeln, wenn wir unser Verhalten ändern